Handgewebte Bettlaken
Beim Aufräumen fand ich einen Schatz – alte Bettlaken, geflickt und fadenscheinig. Klingt eigentlich nicht sehr spannend, aber ich meine richtig alt.
Früher brachten Frauen als Teil ihrer Aussteuer Bettwäsche, Hand- und Geschirrtücher oder auch Ballen aus handgewebtem Leinen mit in die Ehe. Die bereits genähten Wäschestücke versahen sie mit einem Monogramm bestehend aus den Anfangsbuchstaben ihres Mädchennamens, um der Verwandt- und Nachbarschaft zu zeigen, was sie mit in die Ehe gebracht hatten. Noch bei meiner Mutter inspizierten Nachbarsfrauen nach ihrer Hochzeit den Inhalt des Wäscheschrankes.
Meine Fundstücke besitzen größtenteils aufwendig verzierte Monogramme, die ich auf Anhieb nicht entziffern konnte. Kein Problem stellten die Initialen „S Ö“ dar; meine Ururgroßmutter (geb. 1860) sparte sich überflüssige Schnörkel. Auch „M G“, die Initialen meiner Großmutter, erkannte ich schnell. Doch das Rätsel der anderen Monogramme konnte ich erst mit ein wenig Überlegung lösen. Wie lauteten die Mädchennamen meiner Vorfahrinnen noch gleich? „H R“ und „I L“ hießen meine Urgroßmütter.
Eine Besonderheit weist das Bettlaken meiner Urgroßmutter „I L“ auf: eine Doppelnaht in der Mitte des Lakens. Ich erinnerte mich an die Erklärung meiner Mutter. Wenn die Bettlaken durch häufige Benutzung dünn wurden, schnitten die Frauen sie in der Mitte längs auseinander und nähten die Teile an den Außenseiten wieder zusammen, sodass die fadenscheinigen Stellen nun seitlich unter den Matratzen verschwanden.
Aufräumen kann zu einer Reise in die Vergangenheit werden!