Erskine Caldwell: „Erfahrungen sammelt man wie Pilze − einzeln und mit dem Gefühl, dass die Sache nicht ganz geheuer ist.“
„Autobiographien kann man nicht als Quellen für historische Arbeiten verwenden. Das ist doch alles nur subjektiv und stimmt so nicht. Außerdem verändern sich über Jahre die Erinnerungen!“, behauptete eine Bekannte. Darauf antwortete ich ihr spontan: „Jein! Das sehe ich nicht ganz so.“
Natürlich spiegeln Autobiographien subjektive Eindrücke wider, aber sie vermitteln auch ein Gefühl für das Leben in der jeweiligen Epoche aus der Sicht des Schreibenden. Möchte ich etwas über geschichtliche Fakten erfahren, lese ich ein Sachbuch. Möchte ich das Leben zu einer früheren Zeit besser verstehen und nachempfinden, dann greife ich zur Biographie, denn nichts macht Geschichte lebendiger als die Erfahrungen und Eindrücke von Menschen. Ohne Zweifel gibt es auch gegensätzliche Beschreibungen von Situationen, weil jeder sie aus seiner Sicht erlebt und im Gedächtnis behält.
Mit anderen Worten: „Jeder Mensch besitzt seine eigene Welt der Erinnerungen. Manche Erinnerungen teilt er mit vielen anderen, manche gehören nur ihm. Manche stimmen überein, andere widersprechen sich. Aber alle Erinnerungen sind wahr. Denn sie beschreiben, wie ihre Träger eine Situation oder ein Ereignis erlebt und verarbeitet haben und was sie heute für ihn oder sie bedeuten. Die Welt der Erinnerungen ist deshalb ein zentraler Bestandteil der Zeitgeschichte und unserer Geschichtskultur.“ (Gelesen im Landhaus − Sitz des Stadtmuseums Dresden, Juni 2015)
Dass sich Erinnerungen über Jahre verändern können, musste ich erst gestern feststellen, als ich meinem Sohn die Mathematikklausuren aus meinem ersten Jahr an der TU Clausthal zeigte. Stolz hatte ich meinen Kindern immer erzählt, dass ich die erste Klausur sehr gut bestanden hatte, die zweite aus Übermut und Faulheit „in den Sand gesetzt“ hatte und deshalb eine Nachholklausur schreiben musste. Für die hatte ich in meinen Erinnerungen eifrig gelernt und dann sehr gut absolviert. Wie sich herausstellte, hatte sich das Ergebnis der misslungenen Klausur „punktgenau“ in mein Gedächtnis eingebrannt. Die beiden anderen Ergebnisse hat mein Gehirn für mich leicht verschönt.
Manche Details bleiben genau im Gedächtnis haften − manche nicht, doch die Tendenz meiner damaligen Eindrücke und Empfindungen stimmt!