Nichts erinnert mehr an das Dorf Hoffnungstal
Durch den Zweiten Weltkrieg verlor ein Teil meiner Kunden die Heimat und damit die Wurzeln. Im Laufe der vergangenen 70 Jahre schlugen sie neue Wurzeln, verankerten sich wieder fest, doch die Heimaterde lässt sie nie mehr vollständig los. Die Erinnerungen an die Kindheit, basierend auf Erzählungen der Eltern oder Geschwister, ergänzt durch eigene Erlebnisse, sind ein wichtiges Kapitel in ihrer Biographie. Mit diesen Beschreibungen wecken sie auch das Interesse der nachfolgenden Generationen. Auch mir erging es so; durch die Biographie meines Vater wuchs meine Neugierde.
Väterlicherseits besitze ich weitverzweigte Wurzeln: Mein Urururgroßvater Johann Jacob Otterstätter (geboren in Lachen-Speyerdorf / Rheinland-Pfalz) wanderte 1802 mit seiner Familie nach Polen aus. Von dort zogen zwei seiner Söhne 1814 nach Borodino (gegründet 1814 als Dorf Nummer1) in Bessarabien, das heute auf dem Gebiet Modawiens und der Ukraine liegt, begrenzt durch das Schwarze Meer sowie den Flüssen Pruth und Dnjestr. Meine Großmutter väterlicherseits ist eine geborene Schaible mit Wurzeln in Württemberg bis in das Jahr 1550. Johann Martin Schaible wanderte 1817 in Richtung Kaukasien aus, blieb aber mit seiner Familie in Glückstal bei Odessa; erst sein Sohn ließ sich im bessarabischen Hoffnungstal nieder. Kleine Wurzeln verbinden mich mit Karlsruhe, Landsberg, Marienfeld bei Warschau, Tscherwenka und weiteren Regionen. Hinzukommen niedersächsische Wurzeln durch meine Mutter, mit denen ich mich zurzeit befasse.
Angeregt durch die Biographie meines Vaters wollte ich das Dorf sehen, in dem er seine Kindheit verbracht hatte. 2010 flogen meine Schwestern und ich nach Bessarabien. Vieles hatte sich verändert, aber das wussten wir, da unsere Eltern bereits in den 90er Jahren dort gewesen waren. Gern zeigte uns die neue Besitzerin das Haus meiner Großeltern, betonte, dass die Haustür und einige Fenster noch von unserem Großvater stammten. An einem anderen Tag fuhren wir nach Hoffnungstal, dort existiert nichts mehr, keine Straßen, keine Gebäude – trotzdem war es ein bewegender Moment. Die hügelige, menschenleere Steppe regte meine Fantasie an: So musste Bessarabien bei der Besiedlung durch die deutschen Kolonisten ausgesehen haben.
Wecken auch Sie das Interesse Ihrer Kinder und Enkel für die eigenen Wurzeln – schreiben Sie mit mir Ihre Biographie.